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Eine Legende erzählt, daß schon vor langer, langer Zeit Menschen
in der unwegsamen Bergwelt der philippinischen Cordilleren lebten. Sie
ernährten sich nur von Wild und Wurzeln. Obwohl sie geschickte
Jäger waren, herrschte immer wieder Hunger.Eines Tages verirrte sich
ein Jäger namens Wigan in dem feuchten Tropenwald. Plötzlich fand
er an den Hängen seltsame Pflanzen. Er säte die Körner aus,
bewässerte sie und seit dieser Zeit leben die Menschen im Norden der
Philippinen vom Segen des Gottes Mah-Nongan - so die Legende der
Ifugao.
Reisfelder, soweit das Auge reicht, bis in eine Höhe von 1600 Metern. Wie dichtgewebte Teppiche überziehen sie die Berghänge der Insel Luzon im Norden der Philippinen. Steil ragen die Stufen zum Himmel. Würde man die Steinmauern und Lehmwälle der Terrassen aneinanderreihen, würden sie den halben Erdball umspannen. Vor über 2000 Jahren schon wurden die ersten Felder angelegt. Ihre Baumeister waren die Ifugao, ein Bauernvolk, das vermutlich aus Indonesien eingewandert war. Die Reisterrassen der Ifugao - eine einzigartige Kulturlandschaft, ein Meisterwerk der Bewässerungstechnik und der Terrassenbaukunst. Seit 1995 zählt diese Landschaft, die sich über eine Fläche von rund 20.000 Quadratkilometern erstreckt, zum Weltkulturerbe. Aber wie lange werden diese Terrassen ihre Besitzer noch ernähren? Versteckt hinter hohen Bergen, nur nach zweistündigem Fußmarsch über schmale Pfade erreichbar, liegt Batad. Wie ein Amphitheater schmiegen sich die Reisterrassen um das Dorf, bilden eine untrennbare Einheit. Batad hat 1500 Einwohner. Fast alle leben noch in den traditionellen Stelzenhäusern aus Holz mit weit heruntergezogenem Cogon-Grasdach und nur einem Raum für die ganze Familie. In Batad gibt es keine Fernseher, keine Computer, keine Kühlschränke, kein Telefon. Batad hat keinen Stromanschluß. Für die zahlreichen Kinder gibt es eine Grundschule, aber der nächste Arzt ist weit entfernt. Familie Ahmena auf dem Weg zu ihrem Reisfeld. Wie jeden Tag gibt es viel zu tun, obwohl ihr Feld nur klein ist. Die vier ältesten Kinder von Gregorio und Christina sind noch in der Schule. Normalerweise müssen auch sie mithelfen, denn jede Hand wird gebraucht und Maschinen gibt es in Batad keine. "Tinawon" heißt der kälteresistente Reis, der in Batad in fast 1.000 Meter Höhe wächst. Wie die anderen Ifugaobauern pflanzen auch Gregorio und Christina nur traditionelle Sorten. Moderne Züchtungen sind zwar ertragreicher, aber anfälliger für Ungeziefer. Und sie kosten viel Geld für Dünger - den kann sich hier niemand leisten. Ausgepflanzt wird bei den Ifugao im Februar und März. Über tausend Arbeitsstunden kommen zusammen, um einen ha Reisland zu bewirtschaften - und das bei nur einer Ernte im Jahr. 2-3 Monate sind diese Schößlinge alt. Es wird noch rund vier Monate dauern, bis geerntet werden kann. Land ist knapp im Norden der Philippinen. Jeder verfügbare Meter wird genutzt, um den Bergen das Grundnahrungsmittel abzuringen. Keine Parzelle ist regelmäßig, die meisten Felder nur wenige Quadratmeter groß, angepasst an die Form des Geländes. Die Ifugao-Baumeister schufen mit ihren Reisterrassen eine Landschaftsarchitektur, die Funktion und Form, Nutzen und Ästhetik miteinander verbindet - wie kaum eine andere Kulturlandschaft. Unkraut jäten, den Reis pflegen und die Terrassen instand halten, beschäftigt Familie Ahmena das ganze Jahr. Auspflanzen und Ernten nehmen nur einen Monat in Anspruch. Viele Familien in Batad müssen stundenlang laufen, um auf ihre Felder zu gelangen. Gregorio und Christina haben das Glück, daß ihre Felder nahe beim Dorf liegen. Die Ifugao dreschen ihren Reis nicht, sondern bewahren ihn in Bündeln auf. Jeden Morgen und jeden Abend wird er für die Mahlzeiten von den Rispen gestreift und anschließend entspelzt und gestampft. Die Körner sind klein und haben einen aromatischen Geschmack. "Süß wie Schokolade", meint Christina Ahmena. Alles, was die Familien ernten, ist für den Eigenbedarf bestimmt - aber selbst dafür reicht der Reis nicht aus. Nach einem halben Jahr schon ist die Ernte aufgebraucht. Und dann müssen die Ifugao Hochertragssorten aus dem Tiefland dazukaufen. Früher habe man beim Stampfen fröhliche Lieder gesungen, erzählen die Frauen. Heute machen sie sich nur noch Sorgen, wie es weitergehen soll und achten darauf, daß kein Reiskorn danebenfällt. Gregorios Urahnen galten bis ins 19. Jahrhundert hinein als berüchtigte Kopfjäger. Missionare trauten sich lange nicht in die abgelegene Bergwelt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Ifugao katholisch. Gregorio ist getauft und geht jeden Sonntag zur Messe, doch wenn es um seinen Reis geht, vertraut er auf andere Gottheiten. In uralten Ritualen werden Hühner geopfert, mit Reisschnaps geweiht. Das Opfer soll die Götter günstig stimmen und die Seele des Reises gesund erhalten. Auch heute noch betrachten die Ifugao den Reisanbau als Partnerschaft zwischen Göttern und Menschen. Alltag und Feste sind ausgerichtet nach dem Rhythmus der Reiskultur. Das Dorfoberhaupt tritt in Kontakt mit den für den Reisanbau zuständigen Göttern und Geistern. Aus den Eingeweiden prophezeit er nicht nur, ob die Ernte gut ausfallen wird, sondern gibt auch Prognosen über Wohlstand und Gesundheit der Dorfbewohner. Weil Fleisch knapp ist in Batad, entwickelt sich jedes Opfer zu einem Festessen. Und so bedanken sich die Dorfbewohner nicht nur bei den Naturgöttern, sondern auch bei ihrem christlichen Gott für die willkommene Abwechslung. Noch ist die Ifugao-Region ein gut funktionierendes Ökosystem. Der größte Teil des Waldes ist Wasserspeicher, gilt als heilig und ist dadurch geschützt. Er kann auch nicht verkauft werden. Der tiefergelegene Nutzwald zum Bauen und Heizen wird immer wieder aufgeforstet. Zwischen den Reisfeldern gibt es nur wenige Gemüsefelder, soviel der Boden hergibt und die Familien brauchen. Oft schlafe er nachts nahe der Felder, vertreibe mit Feuerwerkskrachern die Vögel. Oder schaue nach, ob genügend Wasser auf dem Feld steht, erzählt Gregorio. Immer gäbe es Probleme mit der Wasserverteilung, obwohl doch noch genügend Wasser da sei und ein ausgeklügeltes Netz von Kanälen die ganze Gegend durchzieht. Wasserverteilung sei hier Männersache. Und niemals dürften die Terrassen trockenfallen. Das nimmt Gregorio ganz genau. Zweieinhalb bis sieben Zentimeter seien die ideale Wasserhöhe, damit sich wenig Unkraut bildet und die Ernte gut ausfällt. Ob seine Kinder die mühselige Arbeit fortführen? Gregorio ist skeptisch. Wenn er stirbt, wird er sein Reisland seiner ältesten Tochter vererben und die Felder nicht mehr unter allen Geschwistern aufteilen, wie es früher üblich war. Denn dann würde niemand mehr satt. Die Reisähren sehen dieses Jahr gut aus und Gregorio ist zufrieden. Im August wird er rund 300 Kilogramm Reis ernten. Aber das ist nur ein Viertel dessen, was ein Tieflandreisbauer mit modernen Sorten und zwei Ernten im Jahr bei gleicher Fläche erreicht. Gregorio möchte die alten Traditionen nicht aufgeben - aber immer mehr, vor allem die Jungen, denken anders. In Banaue, der etwa 30 Kilometer entfernten Kreisstadt, wird schneller Geld verdient als auf dem Feld. Hier arbeiten Ifugao als Tricyclefahrer für die Touristen, als Souvenirhändler, in Restaurants und Hotels. Wer das moderne Leben in Banaue kennengelernt hat, will nicht mehr zurück in den Schlamm der Reisfelder - und die verfallen. 80% der Jungen verlassen ihre Dörfer, ziehen Betonhäuser mit fließend Wasser dem Leben in der Hütte vor - sei es in Banaue oder in Manila. 2.000 Jahre lang waren die Reisterrassen Lebensgrundlage und Identität der Ifugao. Heute sind sie ökonomisch überholt, der Reisanbau lohnt sich fast nicht mehr. Werden die Terrassen nicht gepflegt, verfallen sie schnell. Mit ihnen sterben alte Reissorten und jahrhundertelang überlieferte Kenntnisse -was zum unwiederbringlichen Verlust dessen führt, was noch immer Weltwunder genannt wird. Museales Konservieren allein wird das Weltkulturerbe nicht schützen. Schlösser, Burgen oder Aqädukte kann man auch ohne ihre ursprünglichen Nutzer erhalten. Aber die Baukunst der Ifugao wird die modernen Zeiten nur überleben, solange sich die Mühe lohnt, auf diesen Terrassen Reis anzupflanzen. Wenn die Menschen dem Reis zu wenig Respekt zollen, so glauben die Ifugao, entfernt sich seine Seele, und der Reis stirbt. Buch und Regie: Elke Werry |
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